Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald

Presseinformationen

Land fördert Gedenkstätten mit rund 3,93 Millionen Euro

21. März 2022

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Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur heutigen Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei

Kultur- und Wissenschaftsministerin Manja Schüle hat heute in Potsdam gemeinsam mit Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) und Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, Andrea Genest,Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Sylvia de Pasquale,Leiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel, und Ines Reich,Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße Potsdam, einen Ausblick auf das Jahresprogramm 2022 sowie die Entwicklung der Gedenkstätten im Land gegeben.

Kultur- und Wissenschaftsministerin Manja Schüle: „In diesem Jahr begehen wir den 77. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager. Wie wichtig Erinnern und Gedenken sind, zeigt sich in diesem Jahr besonders bedrückend: Durch bewusst lancierte falsche Erinnerung und ideologische Geschichtsklitterung wird mitten in Europa ein völkerrechtswidriger Krieg gegen ein souveränes Land geführt und begründet. Leidtragende sind Millionen von Menschen in der Ukraine. Darunter auch Volodymyr Kororbov, als minderjähriger Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt und von 1943 bis 1945 im KZ Sachsenhausen interniert. In diesem Jahr wollte der 96-Jährige noch einmal den Ort seines Leidens besuchen, zum ersten Mal seit seiner Befreiung vor 77 Jahren. Stattdessen sitzt er jetzt in einem Keller in Kiew, muss wieder Krieg erleben und um sein Leben fürchten. Sein Schicksal macht eindrücklich klar, warum es so wichtig ist, gegen das Vergessen, Verdrängen und Verleumden zu kämpfen. Ich bin der Stiftung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gedenkstätten dankbar für ihre wichtige Arbeit des Erinnerns – und dass sie mit innovativen Angeboten, virtuellen Projekten und digitaler Geschichtsvermittlung neue Wege in der Erinnerungsarbeit gehen. Das ist angesichts immer weniger werdender Zeitzeugen – gerade erst sind Inge Deutschkron und Leon Schwarzbaum gestorben – wichtiger denn je. Und ich freue mich, dass wir mit der Integration von Jamlitz – einer der wichtigsten Orte der Shoa in Brandenburg – in die SBG einen wichtigen historischen Gedenkort dauerhaft sichern können. Bei den Gedenkveranstaltungen in diesem Jahr wird Volodymyr Kororbov vermutlich nicht dabei sein können. Aber das Internationale Sachsenhausen-Komitee hat ein Spendenkonto eingerichtet und man kann ihn mit einer Spende für Medikamente und Verpflegung unterstützen. Meine Hoffnung: Dass wir Volodymyr Kororbov spätestens im kommenden Jahr bei uns begrüßen können.“

Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) und Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet die Planungen der Gedenkstätten. Mit großer Bestürzung sehen wir das große Leid, das die Gewalt über die Menschen in der Ukraine bringt. Insbesondere gilt unsere Sorge den hochbetagten Überlebenden der Konzentrationslager. Sie sollten zum Jahrestag der Befreiung in die Gedenkstätten eingeladen werden. Sie müssen sich nun vor den russischen Bomben und Raketen verbergen und um ihr Leben fürchten. Seit Beginn des Krieges versuchen wir, wo immer möglich, Kontakt aufzunehmen und zu helfen, auch im Rahmen eines kürzlich gegründeten Hilfsnetzwerks von über 30 Gedenkstätten und Initiativen. Unsere Solidarität gehört auch den vielen Kolleginnen und Kollegen in Russland, die Opfer staatlicher Repression geworden sind. Für alle Überlebenden war es aufgrund der Pandemie in den vergangenen Jahren nicht möglich, die Gedenkstätten zu besuchen. Daher ist es für uns eminent wichtig, sie zum Jahrestag der Befreiung am 1. Mai 2022 einladen zu können, um mit Ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen und die Bedeutung von Geschichte in der Gegenwart zu diskutieren“, so Axel Drecoll. „Integration, Inklusion und Entwicklung, mit diesen drei Begriffen lassen sich wichtige Zielsetzungen der kommenden Jahre charakterisieren. Mit der Integration des Gedenkortes Jamlitz-Lieberose kann dank der nachhaltigen Unterstützung des Landes Brandenburg ein ausgesprochen wichtiger historischer Ort in die Stiftung integriert und zu einer modernen Gedenk- und Bildungsstätte ausgebaut werden. Große Entwicklungsschritte stehen darüber hinaus in den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück im Rahmen der so genannten Zielplanungsprozesse an. Sie beinhalten bauliche Veränderungen und die grundlegende Überarbeitung des Vermittlungsangebotes. Solche und andere wichtige Entwicklungsvorhaben sollen durch innovative Forschungsansätze, neue multiperspektivische und multimediale Vermittlungsformate sowie weitreichende Kooperationsbeziehungen die nötigen Impulse erhalten. Ziel ist es, an den historischen Orten mit neuen vielschichtigen und inklusiven Programmen ein breites und diverses Publikum zu erreichen, zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern und zur kritischen Reflexion von Geschichte anzuregen. Dank der großzügigen Förderung von Land und Bund sowie weiteren Drittmittelfinanzierungen konnten bereits wichtige Projekte in diesem Zusammenhang angeschoben werden. Weitere finanzielle Unterstützungen sind notwendig, um die Zielsetzungen der Gedenkstätten realisieren zu können.“

Andrea Genest,Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: „In der Gedenkstätte Ravensbrück liegt ein Schwerpunkt auf den rund 7.000 Frauen, die von den Nationalsozialisten aus Frankreich in das KZ Ravensbrück deportiert wurden. Ihnen ist eine Sonderausstellung gewidmet, die am 30. April in der Gedenkstätte Ravensbrück eröffnet und anschließen auch in Frankreich zu sehen sein wird. 30 Biografien veranschaulichen die Diversität dieser Gruppe. Begleitet wird die Ausstellung von deutsch-französischen Jugendbegegnungen und einer Veranstaltungsreihe, die wir in Kooperation mit der französischen Botschaft vorbereiten.“

Sylvia de Pasquale,Leiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel: „Die Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden eröffnet im Sommer eine neue Wanderausstellung, die sich mit der Geschichte einer Widerstandsgruppe ausländischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Raum Berlin-Brandenburg beschäftigt. Ihre Mitglieder wurden teilweise im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet oder saßen nach den Urteilen des Volksgerichtshofs dort Haftstrafen ab. Von zentraler Bedeutung ist für uns weiterhin das Thema Inklusion. Vor wenigen Wochen ist eine neue, barrierearme Webseite ‘Geschichte inklusiv‘ online gegangen, die über die Euthanasie-Verbrechen informiert. Am Gedenktag für die Opfer der Euthanasie-Morde am 1. September wird ein inklusives Theaterprojekt aus Reutlingen mit einem Stück über die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen 1940/41 zu Gast sein.“

Ines Reich,Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße Potsdam: „In der Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam beschäftigt sich am 11. und 12. April eine internationale Konferenz mit den Aktivitäten der rivalisierenden Geheimdienste im Kalten Krieg und den unterschiedlichen Facetten des Spionagevorwurfs. Im Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Militärspionageabwehr in der Potsdamer Leistikowstraße waren viele deutsche Zivilisten unter diesem Vorwurf inhaftiert. Auch wir spüren die Folgen des Krieges in der Ukraine: Die Kollegen vom Deutschen Historischen Institut in Moskau können nicht persönlich anreisen, sondern müssen digital zugeschaltet werden.“

Die 1993 gegründete Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (SBG) betreut als rechtlich selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts mit ihren mehr als 100 Mitarbeiter*innen die Gedenkstätten in den früheren Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück, die Gedenkstätten für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel und im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg-Görden sowie die Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald als Außenstelle von Sachsenhausen. Außerdem verwaltet sie treuhänderisch die Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam. Künftig soll auch der Gedenkort Jamlitz Teil der SBG werden. Aufgabe der Stiftung ist es, an Terror, Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern, die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit diesem Thema zu fördern und ein würdiges Gedenken an die Opfer der Verbrechen der Gewaltherrschaft des NS-Regimes sowie der sowjetischen Besatzungsmacht und der DDR zu ermöglichen. Das Land fördert die Arbeit der SBG in diesem Jahr mit rund 3,93 Millionen Euro, rund 3,72 Millionen Euro kommen vom Bund. Weitere rund 215.000 Euro Landesmittel stehen für die Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam bereit. Im vergangenen Jahr besuchten etwa 139.000 Besucher*innen die Gedenkstätten und Museen der SBG.

Das Dorf Jamlitz (Landkreis Danke-Spreewald) ist einer der wichtigsten Orte der Shoa in Berlin-Brandenburg. Dort errichtete die SS im November 1943 ein Außenlager des KZ Sachsenhausen mit direkter Anbindung an das Vernichtungslager Auschwitz. Es war das größte jüdische Häftlingslager im Raum Berlin-Brandenburg. Bei den rund 10.000 Häftlingen handelte es sich zu 95 Prozent um Jüdinnen und Juden aus allen besetzten europäischen Ländern. Sie mussten im ‘Arbeitslager Lieberose‘ von 1943 bis 1945 Zwangsarbeit leisten. Kurz vor der Auflösung des Lagers im Februar 1945 ermordete die SS auf dem Lagegelände 1.342 überwiegend jüdische Häftlinge. Von 1945 bis 1947 befand sich am selben Ort das sowjetische Speziallager Jamlitz. Zu DDR-Zeiten wurde im Jahr 1973, mehrere Kilometer vom historischen Ort entfernt, ein Mahnmal in Lieberose errichtet. Die 2003 auf dem ehemaligen Lagergelände in Jamlitz errichtete Freiluftausstellung zum KZ-Außenlager Lieberose sowie zum sowjetischen Speziallager wurde 2018 um einen Gedenkort ergänzt. Das Kulturministerium stellt der SBG rund eine Million Euro aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR für Investitionen zur Erweiterung des Gedenkortes bereit.

Informationen zum Jahresprogramm der SBG finden sich in der Anlage sowie unter www.stiftung-bg.de/veranstaltungen.

Pressematerial

Spendenaufruf des Hilfsnetzwerks für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine

Spenden für Volodymyr Kororbov nimmt das Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V. entgegen:

  • IBAN: DE 4510 0500 0017 9397 5929
  • BIC: BELADEBEXXX

Verwendungszweck: Hilfe für ehem. Ukraine-Häftling Kororbov

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