Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald

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Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald

Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus: Der Todesmarsch der Häftlinge des KZ Auschwitz

27. Januar 2021

Vor 76 Jahren, am 27. Januar 1945, erreichten sowjetische Truppen das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Sie befreiten dort ca. 8.000 Menschen, viele von ihnen dem Tode nah. Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland ein bundesweiter gesetzlicher Gedenktag, der den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist. Aus diesem Anlass findet in der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald alljährlich eine öffentliche Gedenkveranstaltung statt. Dies ist in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie leider nicht möglich.

Die meisten Häftlinge des KZ Auschwitz, ca. 60.000, wurden bereits am 18. Januar auf einen Todesmarsch Richtung Gleiwitz getrieben, kaum versorgt, unzureichend gekleidet bei Eis und Schnee. Zwi Steinitz, der aus einem Außenlager des KZ Auschwitz in das KZ Sachsenhausen gelange und Anfang Mai 1945 nach einem weiteren Todesmarsch schließlich befreit wurde, schildert den Todesmarsch von Auschwitz:

„Abertausende waren unterwegs, alle in einer Richtung und in Begleitung der SS. Auf der schmalen Straße konnte das gewünschte Tempo nicht eingehalten werden, weshalb uns die SS auf Nebenstraßen verteilte, wo noch frischer hoher Schnee lag. Der weiche Schnee setzte sich sofort an den Holzschuhen fest, bildete eine bucklige Schicht, die von Minute zu Minute anwuchs, ihr Gewicht verdoppelte und das Gehen zu einer unerträglichen Qual machte. Ich verlor das Gleichgewicht und stolperte ständig. Bald waren die Holzschuhe so schwer, dass ich kaum die Füße heben konnte. […]

Doch das Schlimmste kam erst noch, als ich plötzlich stolperte und mir dabei ein Fußgelenk verrenkte. Die Folge der Verrenkung waren wahnsinnige Schmerzen. Jetzt humpelte ich auch noch, es war zum Verzweifeln. Ich war am Ende meiner Kräfte, meine Füße konnten den Körper nicht mehr tragen. […] Vor dem Ausmarsch hatte man uns gewarnt, in der Kälte sich auf keinen Fall auch nur für Minuten hinzusetzen. Die Gefahr bestand, dass man an Ort und Stelle einschlief und erfror. Außerdem drohte jedem, der es wagte, am Straßenrand zu sitzen oder gar sich auszustrecken, von der SS erschossen zu werden. Tatsächlich hörte ich andauernd Schüsse, die erschöpften Häftlingen galten und nicht wenigen. […]

Ich war mir der drohenden Gefahr bewusst, und nur die Angst vor der SS trieb mich weiter. Die ständigen Bemühungen, das Stolpern zu verhindern, nicht umzuknicken, die Schmerzen zu unterdrücken, brauchten einen fast übermenschlich starken Willen. Am Straßenrand lagen bereits erfrorene und erschossene Häftlinge, nicht umsonst nennt man diesen Marsch den „Todesmarsch von Auschwitz“. Tausende haben auf diesem Weg ihr Leben verloren. […]

Mit letzten Kräften suchte ich einen passenden Schneehaufen, entdeckte dann einen nach längerer Zeit. Beim Gehen fühlte ich keine Kälte, sitzend musste ich meinen verschwitzten Körper nun sorgfältig in Decken wickeln. Ein Glück, dass ich die Decken behalten hatte, denn sie waren jetzt lebenswichtig. Ich war mir der Erfrierungsgefahr bewusst, bewegte ununterbrochen meine Füße, nicht nur um die Körperwärme zu halten, sondern auch um die lästige Muskelzerrung möglichst zu lockern. […] Sitzend spähte ich ständig nach SS-Leuten, die von allen Seiten erscheinen konnten. Doch was mir die größte Sorge bereitete, war meine Verfassung, die Angst, wie ich den Marsch fortsetzen könnte, die Angst vor fast unüberwindlichen Schwierigkeiten, die noch vor mir lagen. […]

In diesem Augenblick standen plötzlich meine Kameraden vor mir, fassten mich spontan an den Armen und stellten mich auf die Beine. Durch sie schöpfte ich sofort neuen Mut, und vom erfreulichen Wiedersehen ermuntert, stärkte sich meine Moral. Eine Zeitlang gingen wir zu dritt Arm in Arm. Die kurze Ruhepause hatte zwar die Schmerzen gelindert, doch konnte ich auf Dauer nicht Schritt halten, fühlte mich aber bedeutend besser, um dann den Weg auch allein fortsetzen zu können. […] Meine Lebenskraft war wieder da, und das verdanke ich Zelig und Simcha, die mir nicht erlaubten, weiter sitzen zu bleiben. […]

Auszug aus den Erinnerungen von Zwi Helmut Steinitz, Als Junge durch die Hölle des Holocaust, herausgegeben von Erhard Roy Wien, Konstanz 2006.

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